Guggenheim-
Preis /
Residency
2018 – 2023
Dr. Georg und Josi Guggenheim war ein jüdisches Kunstsammler-Ehepaar, das die verhärteten Fronten im Nahen Osten zeitlebens mit Besorgnis beobachtet und sich entsprechend seinen Möglichkeiten am Friedensprozess beteiligt hatte. Vor diesem Hintergrund initiierte die Dr. Georg und Josi Guggenheim-Stiftung 2018 ein Residency-Austausch-Programm zwischen der Schweiz und Nahost, um so den Dialog-Gedanken des Gründerehepaars weiterzuführen. Aufgrund der aktuellen politischen Lage muss das Residency-Programm pausieren. Die Stiftung nutzt diese Pause und lanciert in Zusammenarbeit mit verschiedenen Kulturinstituten in Zürich eine vierteilige Veranstaltungs-Reihe. Diese bietet einer breiteren Öffentlichkeit Gelegenheit, die bisherigen Preisträger:innen und ihr Werk kennenzulernen und gleichzeitig darüber nachzudenken, was die Rolle von Kunst in Konfliktsituationen sein kann.
Georg Keller
Ella Littwitz
Ella Littwitz verbindet in ihrer Arbeit historische, geopolitische und soziale Fragestellungen mit ihrer persönlichen Geschichte. In den in der Binz gezeigten Werken richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf die karge Landschaft rund um das Tote Meer und den Berg Sodom. Sie zieht Parallelen zwischen den unsichtbaren zellulären Aktivitäten in unseren Körpern und den monumentalen geologischen Verschiebungen, die sich über Jahrtausende hinweg entfalten – Kräfte, die oft ignoriert werden, aber in dramatischen Veränderungen kulminieren. Die Arbeiten kreisen um Themen wie Zerstörung und Verschwinden, sehr aktuelle Fragestellungen, wenn man an die menschliche Tragödie in Nahost denkt.
Die zwei Skulpturen «Tears» (2023) sind Salzkristalle, die auf dem Boden des Toten Meeres wachsen. Diese «Salzpilze» werden von Littwitz geerntet und auf Kupferplatten gestellt, wo sie weiterhin Salzwasser aufnehmen und abgeben – wie Tränen, die aus Wunden in der Erde fliessen, oder metaphorisch für den Schmerz zu lesen sind, der bei einer Entwurzelung immer gegeben ist.
Georg Keller hat für die Ausstellung neue Arbeiten realisiert, mit denen er über den Begriff der «Gerechtigkeit» nachdenkt. Die vier Bildtafeln erinnern in ihrem Format an alte Gesetzestafeln. Doch im Unterschied zu diesen historischen Tafeln ist in Georg Kellers Arbeit Gerechigkeit nicht festgeschrieben, sondern vielmehr ein sich stetig wandelnder Prozess, bei dem verschiedene Kräfte mitwirken. Je nachdem, für wen und unter welchen Umständen, definiert sich der Begriff neu. Wie fragil der Begriff Gerechtigkeit ist, zeigt die zweite Arbeit, bei der Georg Keller architektonische Fragmente in ein temporäres Gleichgewicht bringt, das aber durch kleinste Verschiebungen auseinander zu brechen droht. Keller bedient sich dabei Elementen architektonischer Repräsentationsbauten, wie es sie in vielen Ländern gibt. Die sich stetig drehenden, langsam ineinander verknotenden und dann wieder sich lösenden Stoffbänder wiederum symbolisieren das soziale Gewebe. Begriffe wie Solidarität bzw. das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft sind bei der Herstellung von Gerechtigkeit ganz zentral. Georg Keller schafft dafür ein eindrucksvolles und gleichzeitig poetisches Bild.Die Ausstellung fand in der BINZ39 statt, weil der Ausstellungs- und Atelierraum von Anfang an ein wichtiger Partner für das von der Guggenheim-Stiftung initiierte Austauschprogramm war.
Maria Iorio/
Raphaël Cuomo
Maria Iorio/Raphaël Cuomo wurden 2022 als Preisträger:innen ausgezeichnet und hätten im Herbst 2024 für 3 Monate nach Ramallah reisen sollen. Aufgrund der grausamen Ereignisse vom 7. Oktober und der anschliessenden Tragödie wurde die Residency auf unbestimmte Zeit verschoben.
Am 26. Januar 2025, 11 Uhr, findet im Arthouse Cinema Piccadilly ein Screening des Films «Chronicles of That Time» (2005–2020/2021) statt.
Der Film rollt die Geschichte des Mittelmeers auf – einst ein gemeinsamer Raum der Begegnung und des Austauschs, der sich in eine tödliche Grenze für zu viele Menschen verwandelt hat. Der Film sammelt Fragmente von Bildern und Diskursen von beiden Seiten des Mittelmeers und schreibt das, was Politiker und Medien als «Migrationskrise» bezeichnen, aus einer menschlichen Perspektive um. Der Film wurde an dem Festival «Visions du Réel» 2021 mit einem speziellen Jury-Preis ausgezeichnet und befindet sich in der Sammlung des Kunsthaus Zürich.
Mirna Bamieh
Mirna Bamieh ist eine Künstlerin aus Jerusalem/Palästina. Sie schafft Kunstwerke, die soziale Belange aufgreifen und über die Bedingungen nachdenken, die palästinensische Gemeinschaften charakterisieren. Im Zentrum ihrer Arbeit steht das Phänomen des «Verschwindens» in Beziehung zur Geschichte ihrer Heimat sowie der sich ständig wandelnden Politik. Sie arbeitet in unterschiedlichen Medien, u.a. mit Video und Performance. Seit einigen Jahren konzentriert sich Mirna auf die Erforschung und Wiederaneignung verlorengegangener palästinensischer Esskultur und inszeniert traditionelle Rezepte in komplexen und präzise choreografierten Kochperformances. Mirna Bamieh war die dritte Preisträgerin und verbrachte im Herbst 2022 drei Monate in Zürich. Am 9. März 2025 zeigt Mirna Bamieh 14.00–16.00 Uhr im Kunsthaus Zürich die Performance «Potato Talks» (2016–heute), die sie schon in Ramallah, Jerusalem und an der Biennale Gherdëina aufgeführt hat.
Mehr Informationen zur Performance: https://mirnabamieh.info/Potato-Talks
Mehr Informationen zur Performance: https://mirnabamieh.info/Potato-Talks
«Welche Rolle
kann Kunst in Konfliktsituationen
spielen?»
Podiumsdiskussion in Zusammenarbeit mit dem Kunstbulletin29. April 2025, 18.00 Uhr, mehr Informationen in Kürze